Exemplarische
Geschichte eines Dolmetschers
„Es ist gut, dass wir direkt auf die Eltern zugehen. Die Eltern vertrauen den Lehrern ihrer Kinder, das ist ein Vertrauensvorschuss. Wenn wir nicht auf die Eltern zugehen würden, dann würden sie auch keine Unterstützung bekommen – die Ängste und die Unwissenheit über psychische Erkrankungen sind einfach zu groß.
Nach dem Erstgespräch folgen die Diagnostiktermine mit der Therapeutin. Dabei fallen immer viele Begriffe, die sich nur schwer oder gar nicht übersetzen lassen. Begriffe wie „Schweigepflichtsentbindung“ oder „Datenschutzerklärung“ muss ich immer umschreiben und erklären. Aber auch für die Erklärung von Therapiemethoden muss ich mir zum Teil einige Minuten Zeit nehmen. Bei der abschließenden Befundbesprechung muss ich darauf achten, das Gesagte ganz in Ruhe zu erläutern. So habe ich das Gefühl, dass auch die Eltern ruhig reagieren. Wenn die Therapeutin nach der Diagnostik eine Therapie empfiehlt, übersetze ich, was dies bedeutet. Ich erkläre, dass das Angebot absolut freiwillig ist und die Kinder wöchentlich während der Schulzeit zu einem Einzelgespräch zu der Therapeutin kommen können. Die Eltern kommen einmal im Monat dazu. Ich begleite die Therapie von Anfang an, das ist ganz wichtig.
Während der regelmäßigen Elterngespräche unterstützten die Therapeuten uns Dolmetscher, indem sie uns ausreichend Zeit geben, um Vertrauen zu den Eltern aufzubauen. Manche Eltern haben genug Vorwissen und in diesen Fällen kann ich Begriffe wortwörtlich und ohne Erklärungen dolmetschen, ohne mir Sorgen machen zu müssen, auf Unverständnis zu stoßen.
Die Abgrenzung von teilweise belastenden Inhalten war anfangs nicht so leicht. Mit der Zeit und durch die begleitende Fortbildung und Supervision der Therapeuten, konnte ich lernen, mich sehr gut abzugrenzen. Durch die enge Anbindung an das therapeutische Team fühle ich mich gestärkt in meiner Rolle als Dolmetscherin. Ich verstehe, was die Therapeutin mit einigen Methoden macht und kann umgekehrt auch den Eltern die Methoden erläutern und in den kulturellen Kontext bringen. Ich dolmetsche also in beide Richtungen. Das ist sehr schön.“